Ausstellung
Robert Örley 1876-1945
Das Gesamtwerk
Eröffnung: 25.03.1996, 19:00 Uhr
Robert Örley (1876-1945) war als Architekt ein Autodidakt, der in der fruchtbarsten Phase der Wiener Moderne zum Kern der heimischen Avantgarde zählte. Seine frühen Villenbauten und besonders das Sanatorium Luithlen rückten ihn um 1910 in eine Reihe mit Adolf Loos und Josef Hoffmann, mit Joze Plecnik, Leopold Bauer und den Brüdern Gessner.
In der Wiener Szene wirkte der gelernte Tischler und Baumeister auch massgebend in wichtigen Institutionen : als Präsident der Wiener Secession, der Gesellschaft österreichischer Architekten und des Österreichischen Werkbundes sowie als Vizepräsident der Zentralvereinigung der Architekten. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg hat er sich um eine Neuorientierung des Berufsstandes verdient gemacht. Hat sein Werk in den 20er Jahren nicht mehr die radikale, individuelle Modernität der Frühzeit, so gelingt ihm mit dem George-Washington-Hof noch ein bedeutender Beitrag in der Kontroverse zwischen den „Volkswohnungspalästen“ der Wagner-Schüler und den Siedlungskonzepten der Gartenstadtbewegung.
Örleys spezifische Beiträge liegen in der Neuformulierung eines Hallen-Haustypus mit dem Prinzip der „lichtdurchfluteten Mitte“, in der handwerklich-technischen Meisterschaft seiner funktionell raffinierten Raumausstattungen, in der Brechung klassisch-symmetrischer Haustypen an den Besonderheiten des jeweiligen Topos, und in der differenzierten Harmonie seiner Innenraumkonzepte mit den kräftigen, plastischen Silhouetten seiner Baukörper.
Biographisch erscheint Örley als widersprüchliche, „tragische Figur“ (Wilfried Posch); Der Werkbund musste sich unter seiner Führung nach der Spaltung von 1920 erst wieder mühsam konsolidieren, – was Örley finanziell fast ruinierte und ihn 1927 bewog, in die Türkei zu gehen. Nach erfolgreichen Jahren aus Ankara zurückgekehrt konnte er nach 1932 in Wien nicht mehr richtig Fuss fassen; seit 1919 deutsch-national deklariert, diente er dann sowohl der Vaterländischen Front wie auch später dem nationalsozialistischen Regime – in der Kriegszeit immerhin als „Kammerpräsident“ der Architekten, ohne jedoch wirklich politischen Einfluss zu erreichen oder in dieser Phase an konkrete Aufträge heranzukommen.
Aus den wenigen erhaltenen Quellen hat Peter Nigst im Rahmen einer Dissertation das Werk von Robert Örley rekonstruiert. Die Ausstellung im Architekturzentrum Wien zeigt das gesamte verfügbare Plan- und Fotomaterial, ergänzt durch Modelle und Beispiele von Örleys zahlreichen Möbel- und Stoffentwürfen. Damit wird erstmals eine anschauliche Auseinandersetzung mit der Entwicklung dieses Wanderers zwischen Moderne und Heimatstil möglich.
Architekturgeschichte folgt in Österreich immer noch den grossen Namen. In deren Schatten existiert freilich eine Fülle aussergewöhnlicher Gestalter von durchaus überregionalem Rang. Im Rahmen der Publikationsreihe „Portraits österreichischer Architekten“ dokumentiert das Architekturzentrum Wien neben den Zeitgenossen auch die Oeuvres solcher heute „vergessener“ Baukünstler.