Symposium

Bernard Rudofsky

Zum 100. Geburtstag

Fr 15.04.2005 – Sa 16.04.2005

Bernard Rudofsky
© Wilfried Krüger

Im Jahr 2005 wäre der 100. Geburtstag des Architekten Bernard Rudofsky (*19.4.1905 Wien, †12.3.1988 New York), daher ein idealer Zeitpunkt für eine aktualisierende Auseinandersetzung mit seinem Werk.

Bernard Rudofsky war weder Architekt noch Theoretiker im herkömmlichen Sinne: Seine architektonische Praxis galt als zu wenig umfangreich, um in die Überblickskompendien der Architekturgeschichte des 20 Jh. aufgenommen zu werden – seine Publikationen dem akademischen Establishment zu wenig wissenschaftlich. Inzwischen hat in der Forschung eine notwendige Revision stattgefunden, die Mythen der Pioniere werden relativiert und neue Blickwinkel lassen differenziertere Erkenntnisse gewinnen.

Bernard Rudofsky erfuhr seine architektonische und kulturelle Ausbildung in Österreich und gilt als eine der einflussreichsten Personen im Informationstransfer der europäischen Moderne und des österreichischen Beitrags dazu in Richtung USA. Sein auf den Menschen als individuelles und soziales Wesen ausgerichteter gesamtheitlicher Ansatz stellt einen wichtigen Beitrag für den gegenwärtigen Architekturdiskurs dar.

Freitag 15.04.2005

18:00 – 18:30
Monika Platzer, Architekturzentrum Wien
Einführung

18:30 – 19:15
Maria Welzig, Architekturpublizistin und freie Kuratorin, Wien
Bernard Rudofsky – Wiener Wechselwirkungen

19:15 – 20:00
Andrea Bocco, Politecnico di Torino
The Art of Dwelling: Domestic Well-Being, Mediterranean Spirit and Architectural Design.

20:00 – 21:00
«Berta Rudofsky. Mein bester Beruf war es, Bernards Frau zu sein»
Ein Film von Margot Fürtsch und Monika Platzer.
Länge: ca. 50 min.

Samstag 16.04.2005

15:00 – 16:00
Karl Wutt, Architekt und Ethnologe, Wien
Habitus und Habitat: Afghanistan

16:00 – 17:00
Felicity Scott, University of California, Irvine
Rethinking Modernism at MoMA

17:00 – 18:00
Wim de Wit, The Getty Research Institute, Los Angeles
Rudofsky’s Discomfort-a passion for travel

Pause

18.30
Gespräch mit Hans Hollein, Peter Noever, Monika Platzer, Carl Pruscha.
Moderation: Joachim Riedl

Biografie Bernard Rudofsky

Bernard Rudofsky (1905 – 1988) ist ein in Österreich (TU Wien) ausgebildeter Architekt, den es bereits in den 30er Jahren nach Italien zieht. Dort entstehen auch seine ersten architektonischen Arbeiten, die rein formal der klassischen Moderne angehören. Wegen der politischen Veränderungen, die Hitlers Einmarsch in Österreich bewirken, emigriert Rudofsky nach Südamerika (Argentinien, Brasilien), um sich 1941 endgültig in den USA niederzulassen.

Neben seiner bauenden Tätigkeit, die in zunehmendem Alter immer stärker in den Hintergrund tritt, ist Rudofsky auch Designer, Reisender, Ausstellungsmacher, Autor und Wissenschaftler. Rudofsky steht in der Tradition eines Loos und Frank, wenn er sich – ganz gegen den Zeitgeist – nicht von der Vergangenheit distanziert und sich im Gegensatz zum geschlossenen Weltbild der Moderne konsequent mit der Kulturgeschichte auseinandersetzt.

Literatur

Rudofsky, Bernard: SPARTA/SYBARIS, Hrsg. Österreichisches Museum für Angewandte Kunst, Wien, Residenz Verlag, Salzburg – Wien 1987.
Rudofsky, Bernard: NOW I LAY ME DOWN TO EAT, Anchor Books, Doubleday, New York 1980.
Rudofsky, Bernard: THE PRODIGIOUS BUILDERS, Harcourt Brace Jovanovich Inc., New York – London 1977.
Rudofsky, Bernard: THE UNFASHIONABLE HUMAN BODY, Anchor Books, Doubleday, New York 1971.
Rudofsky, Bernard: STREETS FOR PEOPLE: a primer for Americans, Van Nostrand Reinhold Co., New York 1969.
Rudofsky, Bernard: THE KIMONO MIND, Doubleday, New York 1965.
Rudofsky, Bernard: ARCHITECTURE WITHOUT ARCHITECTS, Museum of Modern Art, New York 1964.
Rudofsky, Bernard: BEHIND THE PICTURE WINDOW, Oxford University Press, New York 1955.
Rudofsky, Bernard: ARE CLOTHES MODERN?, Paul Theobald, Chicago 1947.

Ausstellungen

1944 MoMA, New York: ARE CLOTHES MODERN?
1956 MoMA, New York: TEXTILES USA
1958 US Pavillion für die Weltausstellung in Brüssel
1961 – 1965 MoMA, New York: JAPANESE VERNACULAR GRAPHICS; ROADS, STAIRS und GAUDI; ARCHITECTURE WITHOUT ARCHITECTS
1980 Cooper Hewitt Museum, New York: NOW I LAY ME DOWN TO EAT
1987 MAK, Wien: SPARTA/SYBARIS

Weitere Biografien

Maria Welzig, Architekturpublizistin und freie Kuratorin, Wien
Geboren 1963. Studium der Kunstgeschichte in Wien.
Buchpublikationen und Ausstellungen zur österreichischen Architektur der Moderne und der Gegenwart, u.a. „Josef Frank. Das architektonische Werk“, Wien 1998.
Margarete-Schütte-Lihotzky-Stipendium 2000. Lehrauftrag TU Graz 2003. Forschungsprojekt des Wissenschaftsfonds zur österreichischen Architektur seit den 60er Jahren. Kurzfilm “schoener wohnen” (mit Sabine Groschup und Gerhard Steixner), 2004. “Theodor-Körner-Preis“ 2001.

Andrea Bocco, Politecnico di Torino
1992 Abschluss des Architekturstudiums am Politecnico di Torino. 1995 eingetragener Architekt mit eigenem Büro. 1997 Doktorat in Architektur und Bauentwurf am Politecnico di Torino. Leiter des Fotoarchivs der Architekturfakultät des Politecnico di Torino (1997). 1999 Leiter des Stadtteilentwicklungsbüros San Salvario. Seit 2001 Forscher am Institut für Wohn- und Städtebau des Politecnico di Torino. Er unterrichtet Stadterneuerung und partizipatorische Projektplanung (Postgradualer Studiengang für Technologie, Architektur und Städtebau in Entwicklungsländern) sowie Technologiekultur der Architektur (1. Schule für Architektur).

Berta Rudofsky (geb. Doctor)
Berta Rudofsky wurde 1910 in Wien geboren und wuchs im 13. Bezirk auf. Geprägt durch ihre Eltern – ihr Vater ein Elektroingenieur und ausgezeichneter Klavierspieler, die Mutter eine Sopranistin – studierte sie in Wien Musikwissenschaft. Durch den frühen Tod ihres Vater und der angeschlagenen Gesundheit der Mutter war sie früh zur Selbständigkeit gezwungen. 1934 lernte Berta Rudofsky während einer Italienreise Bernard Rudofsky kennen. Im November 1936 heirateten sie in der New York City Hall. Heute lebt Berta Rudofsky abwechselnd in Wien, New York und Frigiliana (Spanien).

Monika Platzer

Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien; seit 1998 im Architekturzentrum Wien als Kuratorin und Leiterin des Archivs und der Sammlung tätig, Forschungsschwerpunkt Österreichische Architektur– und Kulturgeschichte des 20. Jhdts.; Mitarbeit bei diversen Forschungs– und Ausstellungsprojekten: Entwicklung und Kuratierung der Ausstellung “Mythos Großstadt, Architektur und Stadtbaukunst in Zentraleuropa 1890 – 1937” (gemeinsam mit Eve Blau und Dieter Bogner) im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht und Kulturelle Angelegenheiten in Wien, des Canadian Centre for Architecture in Montréal und des Getty Research Institute in Los Angeles; in Vorbereitung für das Wien Museum 2006: “Der Wiener Kinetismus. Eine Avantgarde-Bewegung der 20er Jahre”; Forschungstätigkeit für das Ausstellungsprojekt „The Reconquest of Europe: Re-encountering the Public Space in Cities 1900 – 2000“ im Auftrag des Centre de Cultura Contemporania de Barcelona.

Margot Fürtsch

Geboren 1968 in Wien. Architekturstudium an der TU Wien; während des Studiums mehrere Praktika im
Atelier Prof. Roland Rainer, Wien; Auslandsstipendium an der University of Michigan, College of Architecture + Urban Planning Ann Arbor; Studienassistentin am Institut für Hochbau Il, Prof. Helmut Richter, TU Wien.
Seit 1993 Büropartnerschaft mit Siegfried Loos, 2002 Gründung des gemeinsamen Architekturlabels polar÷ in Wien und Bad Gleichenberg. Lehrauftrag an der FH Joanneum

Karl Wutt

Geboren 1943. Dissertierte über die Architektur einiger Hindukusch-Täler in Afghanistan und Pakistan. Seit 1984 am Institut für Völkerkunde der Universität Wien, 1990 – 2004 an der Akademie der bildenden Künste Wien, Institut für Kunst und Architektur.
Wutt unternahm Feldforschungen zur Architektur von Volksstämmen und auf dem Gebiet der Urban Anthropology. Seine besondere Vorliebe gilt der Fotografie und der Zeichnung. Von 1973 bis 1997 baute er eine Sammlung von Zeichnungen der Kalasha auf, zu der mehr als 200 Personen – Angehörige einer vorislamischen Kultur Pakistans, die letzten Kafiren des Hindukusch – beitrugen. Parallel zu seinen Arbeiten entstand ein privates Fotoarchiv.


Felicity Scott, University of California, Irvine
Felicity Scott ist Assistenzprofessorin für Kunstgeschichte und visuelle Studien an der University of California in Irvine und Gründungsredakteurin der vierteljährlich bei MIT Press erscheinenden Zeitschrift Grey Room. Sie promovierte 2001 an der Universität Princeton und hat zudem einen Magister für Stadtplanung der Harvard Unversity und ein Bakkalaureat für Architektur des Royal Institute of Technology in Melbourne. Ihre Arbeiten zur modernen und zeitgenössischen Architektur sind in diversen Anthologien erschienen, darunter Architecture and the Sciences: Exchanging Metaphors und Anxious Modernisms, Experimentation in Postwar Architectural Culture wie auch in Zeitschriften: October, Artforum, Assemblage, Lotus International, Perspecta, Harvard Design Magazine. Zur Zeit arbeitet sie u.a. an der Weiterführung ihrer Dissertation: Die Beiträge Bernard Rudofskys zu den Endspielen des Modernismus werden als kritische Reaktion auf die durch die globale Ausbreitung des Kapitalismus und die Fortschritte in der Kommunikationstechnologie hervorgerufenen historischen Umwälzungen gedeutet.


Wim de Wit, The Getty Research Institute, Los Angeles
Wim de Wit studierte an der Katholischen Universität Nijmegen in den Niederlanden. Er dissertierte 1974 über ”De Amsterdamse School” und ist Herausgeber von The Amsterdam School, Dutch Expressionist Architecture 1915–1930 MIT, 1983. Derzeit ist er Leiter der Abteilung Special Collections & Visual Resources und Kurator für Architekturzeichnungen am Getty Research Institute in Los Angeles. Ausstellungen in Vorbereitung: Julius Shulman, Getty Research Institute, 2005–2006. The Getty Villa Reimagined, J. Paul Getty Museum, Malibu, 2005–2006. Bernard Rudofsky, Getty Research Institute, 2007–2008.

Programm im Detail

Freitag, 15. 04. 2005

18.30 – 19.15

Maria Welzig, Architekturpublizistin und freie Kuratorin, Wien
Bernard Rudofsky – Wiener Wechselwirkungen

Wenn auch Rudofsky von sich sagte, er habe “wie manche Urwaldpflanzen nur Luftwurzeln”, so steht sein Werk doch in einem spezifischen Wiener kulturgeschichtlichen Kontext. In Übereinstimmung mit Adolf Loos und Josef Frank sind für ihn architektonische Fragen primär Fragen der Lebenskultur, und wie Frank nahm sich Rudofsky – entgegen einem technokratischen und nationalistischen Zeitgeist – die Freiheit, die gesamte Kulturgeschichte – weltumspannend – als Erkenntnis- und Inspirationsquelle zu nutzen. Aus diesem gemeinsamen Hintergrund erklären sich auch die zahlreichen Verbindungslinien zum Wiener Architektenkollegen Roland Rainer. Letztlich schließt sich dieser Kreis mit Rudofskys Rückkehr nach Wien als Kurator der Ausstellung Sparta/Sybaris, 1987, im MAK: eine späte Entdeckung des weltweit erfolgreichen Ausstellungsmachers und Autors für den deutschsprachigen Raum.
Indem Rudofsky die Architektur auf die essentiellen Fragen des Lebens zurückführte, ist sein Werk eine zeitlos lohnende Quelle.

19.15 – 20.00

Andrea Bocco, Politecnico di Torino
Die Kunst des Wohnens: Häusliches Wohlbefinden, mediterraner Geist und Architektur

Dass Rudofsky jahrelang am Mittelmeer wohnte, folgt einer Jahrhunderte alten Tradition unter Architekten und Künstlern aus dem Norden und ließ ihn eine der zentralen, wenn auch zwiespältigen Phasen des Modernismus erleben. Vor allem aber war Italien der Ort, ein gesundes, psychisch und physisch intaktes persönliches Leben zu führen, ein heilsamer Quell einer “noch unverdorbenen” Lebensweise, die es möglich zu machen schien, den Themen Behausung und Bekleidung auf den Grund zu kommen. Rudofsky verarbeitete die Ergebnisse seiner Forschungen sowohl in seiner hoch verfeinerten Entwurfspraxis als auch in der Zeitschrift Domus (1938); eine Vorwegnahme aller Themen seiner späteren Bücher und Ausstellungen in den Vereinigten Staaten, getragen vom selben Interesse am materiellen Leben. In seinen Architekturprojekten versuchte Rudofsky, Alltagsverrichtungen einen würdigen Raum zu geben und das Haus als Prüfstein einer Lebensphilosophie zu gestalten, die auf Intimität, Langsamkeit, Intensität und Sinnlichkeit gründete, ohne sich um gesellschaftliche Normen und unnötigen Konsumismus zu kümmern. Die Vorstellung individueller Abgrenzung als eines existentiellen Wertes und die Notwendigkeit, in einem Haus Außen- und Innenräume zu kombinieren, machte den Patio in Rudofskys Arbeiten zu einem Element von höchster Bedeutung: natürlich in seinen Entwürfen, aber auch in seinen theoretischen Schriften und seinen wenigen gebauten Projekten. Einige Beispiele, “Idealentwürfe” wie auch konkrete Auftragsarbeiten, darunter die Casa Campanella, der Albergo San Michele, das Atriumhaus Procida und die viel gerühmte Casa Oro, zeigen seine Verbindung von expressiven und Forscherinteressen: Architekturentwurf war für ihn zugleich ein Instrument professioneller Praxis und wissenschaftlicher Untersuchung.

20.00 – 20.50

BERTA RUDOFSKY Mein bester Beruf war es, Bernards Frau zu sein

Ein Film von Margot Fürtsch, Monika Platzer
Schnitt: Kurt Van der Vloedt
Der Film basiert auf Interviews mit Berta Rudofsky und begleitenden Filmaufnahmen in New York, Neapel und Frigiliana (2002 – 2004). In den persönlichen Erinnerungen von Berta Rudofsky spiegeln sich Architektur– und Lebenskonzepte des Weltbürgers Bernard Rudofsky. Berta Rudofsky war nicht nur Ehefrau und Zeitzeugin, sondern auch Mitarbeiterin, Mitreisende, Managerin, Autofahrerin, Übersetzerin, Sandalenproduzentin, Lehrende, Lektorin, Modell und Muse. Bis heute ist sie Nachlassverwalterin und somit als ”anonyme” Akteurin in vielfältiger Weise am Oeuvre ihres Mannes beteiligt. Dem Publikum wird es ermöglicht, Tatsachen und Motive, die sich hinter den Kulissen der ”offiziellen Geschichte” abspielten, nachzuvollziehen. Wie und unter welchen Umständen passiert Architektur? Somit ist die Lebensweise, das ”private life” des Produzenten von Interesse, nach Beatriz Colomina ist das ”secret life of architects (…) the domestic life of architecture”.

Samstag, 16.04.2005

15.00 – 16.00

Karl Wutt
Habitus und Habitat: Afghanistan

Architektur besteht zwischen Habitus und Habitat. Der Mensch richtet sich in der Natur häuslich ein, domestiziert die Wildnis und erzeugt sich ein Habitat, die Landschaft: “Hier, am Fuß des Dorfes, ruht sich der Fluss bei seinen Steinen von den Feldern aus. Der Mensch hat den Fluss in ein weites terrassiertes Bewässerungsland – in Architektur – verwandelt”, schrieb ich in einem Aufsatz (“Afghanistan, auf den zweiten Blick”) über die Landschaft eines Seitentales des Indus. Und nun zum Begriff Habitus: “Ich glaube, ein junges Mädchen erkennen zu können, das im Kloster erzogen wurde. Sie geht meistens mit geschlossenen Fäusten”, sagte Marcel Mauss 1934 in einem Vortrag über die “Techniken des Körpers” und verstand darunter “die Weise, in der sich die Menschen in der einen wie der anderen Gesellschaft traditionsgemäß ihres Körpers bedienen”, also: wie sie (“milieubedingt”) gehen, stehen, essen, sitzen, liegen usw. und wie sich dies in entsprechenden Artefakten ausdrückt – Kleidern, Häusern, Möbeln usw. Jene Überlegungen waren Bernard Rudofsky wahrscheinlich bekannt, als er – radikal und polemisch – 1987 am Wiener MAK ein Buch zu einer Ausstellung publizierte, das ich gerade deswegen liebe, weil er darin aus seinen Vorlieben – seinem Habitus – kein Hehl machte: Sparta/Sybaris. Keine neue Bauweise, eine neue Lebensweise tut not.

Als ich – nach dem 11. September 01 – und einem Blackout von 26 Jahren wieder die Pashai im Hindukush – eine vorislamisch geprägte Ethnie Afghanistans – besuchte, fand ich ihr Habitat kaum verändert: Der Krieg hatte ihre unzugänglichen Dörfer weniger zerstört als isoliert und äußerlich sogar bewahrt. Die Leute aßen und saßen nicht mehr genau wie zuvor, trugen neue, selbstgemachte Mützen und dachten an “bessere” Häuser. Als ich (November/Dezember 2004) zum dritten Mal nach dem Krieg nach Afghanistan kam, hatten sich dort ein paar Warlords “Toscanische Villen” errichtet, was die Frage aufwarf, warum Kontakte zwischen unterschiedlichen Kulturen so leicht im Kitsch, im Souvenirmäßigen etc. enden. Ich bringe aber in einer Fotoserie “positive” Gegenbeispiele und zeige den idealen Typus eines Habitat, eine Miniaturlandschaft mit einem “Flüsschen”, einem “See”, einem Garten, mit einem eigenen Menschenschlag und gewissen Tieren: Mehtarlam, ein Heiligengrab der afghanischen Provinz Laghman. (Text: Karl Wutt)

16.00 – 16.45

Felicity Scott, University of California, Irvine
Neudenker des Modernismus am MoMA

Am bekanntesten ist Bernard Rudofsky für Architecture without Architects, eine Schau, die 1964 am New Yorker Museum of Modern Art eröffnet wurde. Die Ausstellung und der populäre Begleitkatalog wurden als zeitgerechte und kritische Stellungnahme zur amerikanischen Architektur der sechziger Jahre aufgefasst. Allerdings hatte Rudofsky schon seit Jahrzehnten gleichermaßen aufschlussreiche und polemische Schriften zum Zustand von Architektur und Design in Amerika geliefert. Von seiner 1944 im MoMa gezeigten Ausstellung Are Clothes Modern?, bis zu Behind the Picture Window (1955) und ebenso in seiner Arbeit als Ausstellungsarchitekt der Präsentation im amerikanischen Pavillon der Weltausstellung von Brüssel 1958 hatte Rudofsky in seiner facettenreichen Produktion eine durchgängige, polemische und parodistische Bewertung des American Way of Life entwickelt. Die hier vorgestellte Arbeit konzentriert sich auf Aspekte seiner frühen Produktionen in Amerika, darunter auch kuratorische Projekte und Installationen, ebenso wie Schriften, redaktionelle und Entwurfsarbeiten: sie alle bildeten die vielen Medien, durch die Rudofsky seine Kritik an der warenweltlichen Vereinnahmung des Alltagslebens formulierte. Zugleich wird gezeigt, wie sehr seine Deutung des Alltagslebens in engem Dialog mit den prominentesten Protagonisten, Diskursen und Institutionen des Modernismus in Europa und Amerika stand.

17.00 – 17.45

Wim de Wit, The Getty Research Institute, Los Angeles
Rudofskys Unbehagen – Reisen als Passion

Zu reisen war ein wesentlicher Teil des Lebens von Bernard Rudofsky. Für ihn war es ein Mittel, neue Ideen zu den Themen zu entwickeln, die ihn interessierten: der Körper, Kleidung, Essen und die gebaute Umgebung. Während ihm der Orts- und Szenenwechsel, den das Reisen mit sich brachte, ein persönliches Bedürfnis war, widerstrebten ihm die Veränderungen in unseren Ess-, Bade-, Wohn- und anderen Gewohnheiten, und er machte es sich zur Aufgabe, Alternativen anzubieten, basierend auf einem besseren Verständnis der historischen Wurzeln dieser Gewohnheiten.