Ausstellung
Amt Macht Stadt
Erich Leischner und das Wiener Stadtbauamt
Erich Leischner verkörpert als einer der kreativsten und vielseitigsten unter den in der Architekturabteilung des Wiener Stadtbauamtes beschäftigten Architekten geradezu idealtypisch jene Institution, die mit ihrer hochqualifizierten Beamtenschaft über einen Zeitraum von etwa 90 Jahren das öffentliche Bauen in Wien entscheidend geprägt hat.
Neben einer beachtlichen Fülle an Eigenplanungen, insbesondere im Bereich der sozialen, kulturellen und technischen Infrastruktur, entstanden auch zahlreiche Wohnbauten nach Planungen der Baubeamten.
Über politische Zäsuren hinweg haben die pragmatisierten Architekten an zentraler Stelle wesentliche Beiträge zu Charakter und Identität von Wiens Stadtbild geleistet, beinahe ohne bisher von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.
Mit Schwerpunkt auf der Zwischenkriegszeit soll die Ausstellung die Charakteristik der eigenständigen Architekturhaltung dieser Institution typologisch und entwicklungsgeschichtlich dokumentieren.
Eröffnung
Dietmar Steiner, Direktor Architekturzentrum Wien
Gerhard Weber, Stadtbaudirektor
Kuratoren: Erich Bernard, Barbara Feller, Karl Peyrer-Heimstätt
Katalog: Die von Erich Bernard, Barbara Feller und Karl Peyrer-Heimstätt zusammengestellte Ausstellung wird von einem Katalog mit Beiträgen von Friedrich Achleitner, Erich Bernard und Barbara Feller, Peter Eigner, Andreas Resch und Jan Tabor begleitet. Die Katalogpräsentation findet anlässlich der DienstagsArchitektur 03 am 29.06.1999, 19 Uhr statt. (ATS 380,-)
Führungen:
Samstag, 19. Juni 1999, 15:00 Uhr
Samstag, 10. Juli 1999, 15:00 Uhr
Samstag, 24. Juli 1999, 15:00 Uhr
DienstagsArchitektur:
03 – Dienstag, 29. Juni 1999, 19:00 Uhr
04 – Dienstag, 13. Juli 1999, 19:00 Uhr
Gefördert von:
Stadtplanung Wien
Wien Kultur
Kunst Bundeskanzleramt
Zumtobel Staff
Arch+Ing W, NÖ, B
Eternit
Schindler AG
Das Wiener Stadtbauamt
Das Wiener Stadtbauamt als eigene städtische Amtsstelle war im Jahr 1835 aufgrund einer kaiserlichen Entschließung entstanden. Die Zusammenfassung aller in der Stadt mit dem Bauwesen und der Technik befassten Dienststellen war Ausdruck der sich ausweitenden städtischen Aufgaben zu einer Zeit, als zahlreiche bis dahin von Privaten bewirtschaftete Einrichtungen in kommunale Verwaltung übergeführt wurden.
1. Weltkrieg
Lag bis zum 1. Weltkrieg – in einer Zeit enormen Bevölkerungswachstums unter dem Bürgermeister Karl Lueger – der Schwerpunkt der Tätigkeiten auf dem Gebiet der Verbesserung der technischen Infrastruktur, sowie der vorausschauenden Stadtplanung, änderten sich die Aufgaben mit dem Zerfall der Monarchie und den damit einhergehenden tiefgreifenden Veränderungen auch für das Wiener Stadtbauamt grundlegend.
Rotes Wien
Die Kommunalpolitik des Roten Wien, die von den regierenden Sozialdemokraten als Musterbeispiel „anderer“ Politik verstanden wurde, legte ihr Schwergewicht auf Wohnbau und Fürsorge. Daraus entstanden neue Bauaufgaben, die an zentraler Stelle von Architekten des Wiener Stadtbauamtes ausgeführt wurden. Besonders am Beginn der 20er Jahre waren die in der Architekturabteilung beschäftigten Beamten mit der Planung von städtischen Wohnhäusern und Siedlungen beschäftigt. Als mit dem Beschluss des 1. Wohnbauprogrammes der Gemeinde Wien im September 1923 die Zahl der zu errichtenden Wohnhäuser sprunghaft anstieg, wurden zunehmend auch freischaffende Architekten mit grossen Bauprojekten beauftragt. Die Abwicklung blieb aber weiterhin in der Kompetenz des Wiener Stadtbauamtes. Dort wurden auch einige zentrale Richtlinien für die neuen Wohnungen ausgearbeitet, die für alle Gemeindewohnungen als Standard galten. Bis 1934 wurden etwa ein Viertel aller Gemeindewohnungen (das sind mehr als 15000 Wohnungen) von Architekten des Wiener Stadtbauamtes errichtet.
Neben dem Wohnungsbau sind insbesonders die zahlreichen Fürsorgeeinrichtungen und Nutzbauten wie Kindergärten, Schulen, Bäder und Badeanlagen,Wasserwerke, Feuerwehr, Parkanlagen und Friedhöfe zu erwähnen. Bei fast allen Planungen war Erich Leischner an führender Stelle beteiligt.
Architektonische Identität
Parallel zur personellen Kontinuität im Wiener Stadtbauamt und durch seine übergeordnete Rolle – insbesondere der Architekturabteilung – ist die Entstehung einer architektonischen Identiät zu beobachten einer eigenständigen Architektursprache, die über das bekannte Wohnbauprogramm hinaus auch alle weiteren Kategorien der kommunalen Bauvorhaben erfasste und eine eindeutige Zuordnung zum kommunalen Bauprogramm ermöglichte.
Die Wurzeln dieser stilistischen Spielart finden sich bei Otto Wagner und dem Stadtbaudirektor Heinrich Goldemund. Die Schüler Otto Wagners hatten durch den Schwerpunkt ihrer Ausbildung und vielfach auch durch die Mitarbeit im Atelier von Wagner Routine im Umgang mit grossen Baumassen und städtebaulichen Problemstellungen, was zur Folge hatte, dass die Wagner-Schüler in grosser Zahl mit kommunalen Bauaufträgen unterschiedlicher Größe betraut und in Einzelfällen als ständige Architekten der Architekturabteilung des Wiener Stadtbauamtes angestellt wurden (Konstantin Peller, Gottlieb Michal, Engelbert Mang, Karl Ehn).
NS Diktatur
Mit dem Einmarsch der Nationalsozialisten änderten sich auch für das Wiener Stadtbauamt einige Voraussetzungen grundlegend. Es kam zwar kaum zu personellen Veränderungen, jedoch innerhalb der Beamtenschaft zu einer Neuverteilung der Posten. Sowohl die Ausweitung des Stadtgebietes auf „Groß-Wien“ als auch die im Hinblick auf den Krieg stattfindende administrative und bauliche Neuausrichtung brachten neue Bauaufgaben. Der Wohnbau kam von einigen wenigen Siedlungen abgesehen vollkommen zum Erliegen, statt dessen wurden Kasernen, Luftschutzbunker und Behelfsheime errichtet. Für die Planungen dieser Bauvorhaben wobei der Umfang insgesamt sehr gering war zeichneten neben reichsdeutschen Architekten insbesondere die beamteten Architekten des Wiener Stadtbauamtes verantwortlich.
Die sichere Stellung bei der Gemeinde Wien bot – neben einer häufigen Befreiung vom Wehrdienst – auch die Möglichkeit in einer sehr angespannten Situation dennoch Planungsaufgaben ausführen zu können.
Wiederaufbau
Im Wiederaufbau waren es abermals die Architekten des Wiener Stadtbauamtes, die entscheidend die Richtung der baulichen Ausgestaltung Wiens nach den Zerstörungen des Krieges mitbestimmten. Somit ergibt sich ein über Jahrzehnte und die unterschiedlichsten weltanschaulichen Regierungen reichendes Spektrum, welches für die Wiener Stadtgestaltung ganz prägende Zeichen setzen konnte.
Mit der Auflösung der Architekturabteilung bzw. der Überführung in andere Abteilungen (MA 19) in der Phase des Wiederaufbaus 1949 zog sich das Wiener Stadtbauamt weitgehend aus der planenden und ausführenden Rolle auf die Beratung zurück, und überließ die kommunalen Bauaufgaben in verstärktem Maße den freischaffenden Architekten.
Biographie
1885 geboren am 2. Januar 1887 in Wien als Sohn von Hans Leischner, Oberinspektor der Wr. Berufsfeuerwehr und bekannter Wiener Zeichner und Aquarellist und von Jeanette (Johanna) Leischner, geb. Staudigl
Volksschule, anschließend Bundesrealschule Schottenbastei
1906 Matura und Beginn des Architekturstudiums an der Technischen Hochschule in Wien
1. Staatsprüfung mit „sehr befähigt“.
ab 1911 Volontär im Wiener Stadtbauamt, anfangs noch als Werkstudent
Entwürfe für die Wiener Wasserwerke und die Städtischen Elektrizitätswerke
1912 Staatsprüfung und Abschluss seines Studiums an der Technischen Hochschule in Wien mit Auszeichnung in Utilitätskunde und Baukunst
Lehrer: Carl Mayreder, Max v. Ferstel, Leopold Simony, Carl König
ab 1913 als Architekt im Stadtbauamt, anfangs in der Schulbauabteilung, später in der Architekturabteilung
1915 – 1918 Kriegsdienst als Oberleutnant in einem Pionierbatallion, militärische Objekte in Siebenbürgen und in den Karpaten
1918 Geburt der Tochter Traude
Stadtbaudienstprüfung mit „vorzüglicher Befähigung“
As Architekt in der Architekturabteilung des Wiener Stadtbauamtes hat er bis zu seiner Pensionierung (1949) zahlreiche Wohnbauten im Rahmen des Wohnbauprogrammes der sozialdemokratischen Gemeindeverwaltung realisiert. Zusätzlich Bäder, Brücken, Strassen, Parkanlagen, Friedhöfe, Garagen, Kindergärten, Bauten für die Feuerwehr und die Wasserwerke, Denkmäler und Brunnen.
Maler und Zeichner von Wien-Ansichten, Schaubildern und Vogelschauen
1924 Baurat
1929 Im Vorschlag des Professorenkollegiums zur Nachbesetzung der Lehrkanzel Utilitätsbau an der Technischen Hochschule in Wien
1931 – 1932 Im Vorschlag des Professorenkollegiums zur Nachbesetzung der Lehrkanzel Baukunst an der Technischen Hochschule in Wien
1933 – 1934 Im Vorschlag des Professorenkollegiums zur Nachbesetzung der Lehrkanzel Hochbau an der Technischen Hochschule in Wien
1937 Oberbaurat
1938 für „Sonderaufgaben“ der Stadtregulierungsabteilung zugeteilt, Ausfertigung von Schaubildern propagandistisch motivierter Umgestaltungspläne für Wien
1945 Ehe mit Stephanie Josepha, geb. Holzer
Leiter der wieder errichteten städtischen Architekturabteilung und der Bauberatung (spätere Magistratsabteilung 19)
1947 Senatsrat
ab 1949 Pensionierung als Beamter und ab da freischaffender Architekt
Mitglied der Ingenieur Kammer für Wien, NÖ und Bgld
Mitglied der „Gesellschaft bildender Künstler Wiens, Künstlerhaus“
Inhaber des Goldenen Lorbeers
Zahlreiche Projekte für die Stadt Wien und für private Bauherren.
1970 stirbt am 14. April in Wien