„Was in den Experimenten und Manifesten der jungen Spätsechziger wie Hausrucker und Himmelblau in die Zukunft hinausgerufen wird, gewinnt bei Odorizzi Gestalt und Basis, ohne den Charakter des Experimentellen zu verlassen.“ (Günther Feuerstein)
Der gebürtige Niederösterreicher Karl Odorizzi (*1931) ist ein Universaltalent. Sein Architekturstudium an der TU Graz ergänzte er durch Studien der Grafik und Malerei, des Gesangs und der Dramaturgie sowie der Bühnengestaltung. Ab 1948 führte er ein Architekturbüro in Wels und arbeitete die meiste Zeit alleine, was bei seinem umfangreichen Œuvre mit wegweisenden Schulbauten, Kirchenbauten und einer großen Zahl von Einfamilienhäusern erstaunt. Karl Odorizzi zählt zu den Protagonist*innen der österreichischen Nachkriegsarchitektur, die es noch zu entdecken gilt. Neben den dominierenden Grazern, Vorarlbergern und den zuletzt wiederentdeckten Burgenländern fiel der Blick noch nicht allzu intensiv auf die oberösterreichische Architektur jener Zeit. Das Az W freut sich deshalb umso mehr über das Archiv von Karl Odorizzi als neuesten Zugang zur Sammlung.
„Das Ziel meiner Suche ist das Leben.“ Karl Odorizzi
Die Pfarrkirche in Wels-Lichtenegg (1962–1966) bildet einen frühen Höhepunkt in Odorizzis Beschäftigung mit dem damals boomenden Baustoff Beton. 1952 initiierte der aus Ungarn geflüchtete Priester Stephan Macsady auf dem Areal eines Barackenlagers, in dem nach dem Krieg Displaced Persons untergebracht waren, eine Lagerkirche, die bald zu klein wurde. Odorizzi gewann den geladenen Kirchenbau-Wettbewerb 1959. Sein Entwurf besteht aus einem quadratischen Grundriss von 50 x 50 Metern, über dem sich ein säulenloses Zelt aus Beton aufspannt. Die 24 m hohe Spitze der Pyramide lässt ebenso wie das über einem Sockel liegende Fensterband aus farbigen Glassteinen Licht einfallen. Noch während der Bauzeit wurden die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils berücksichtigt und statt der ursprünglich diagonalen Ausrichtung mit dem Altarbereich in einer Ecke eine nachkonziliare Anordnung umgesetzt.
Während viele Architekten dieser Zeit allein im Beton die Zukunft sahen, experimentierte Odorizzi parallel dazu mit glasfaserverstärkten Kunststoffen und wurde zum Pionier auf diesem Gebiet. Ausgehend vom Konzept der „Raum-Zeit“, die von einer notwendigen Veränderung der Räume im Laufe der Zeit ausgeht, sah Odorizzi in Kunststoffelementen maximal flexible Gestaltungsmöglichkeiten und großes Potential aufgrund des geringen Materialgewichts und der Möglichkeit der Vorfertigung. Ein frühes Beispiel dafür ist die Geflügelzuchtanlage „Haus des Huhnes“ in Marchtrenk (19651967), wo aufgrund der hygienischen Notwendigkeiten tägliches Abwaschen und Desinfizieren – zweischalige Wandelemente aus glasfaserverstärktem Polyester zur Anwendung kamen. Der Bau wurde, auch farblich, von Odorizzis damaligem Auto, einem Citroën DS 19, inspiriert, wie eine ikonische Fotografie aus der Zeit beweist.