Keinen „angenagelten Cementguss“ (Adolf Loos) aus bemaltem Gips und industriell gefertigten Neorenaissance-Versatzstücken wollte der Architekt, sondern weißgeäderten schwarzen Marmor, vergoldete Buchstaben und mit Mahagoni getäfelte Auslagen.
1909 erhielt Adolf Loos von Markus Stein und dessen Sohn Richard den Auftrag zur Gestaltung des Portals und der Geschäftsräume für die Buchhandlung Manz (fertiggestellt 1912). In einem Brief schrieb Richard Stein 1909 an seinen Vater: „[…] Ich habe das Gefühl, dass Deine Idee, ihn zu nehmen, eine sehr gute war und dass er absolut nichts Verrücktes machen wird [… ].‟ Mit dem vom Gehsteig zurückversetzten, indirekt beleuchteten Eingang, der die vorbeiflanierenden Passant*innen anzieht und gleichzeitig die Präsentationsfläche drastisch erhöht, schuf Loos eine Shop-Architektur, wie sie bis heute in Verwendung ist.
An sich zählen Geschäftsportale zu den kurzlebigsten Bauwerken einer Stadt, weil jeder Besitzerwechsel eine potentielle Bedrohung darstellt. Dass die Buchhandlung Manz auch über 100 Jahre nach ihrer Gründung immer noch von der Familie der damaligen Auftraggeber in gleicher Funktion genutzt wird, ist ein absoluter Sonderfall. Für ihr Fotoprojekt „Wiener Läden“ (1981) hat Margherita Spiluttini das schöne Geschäftsportal abgelichtet.
Adolf Loos (1870–1933) begann 1892 ein Architekturstudium an der Hochschule in Dresden, brach es jedoch nach einem Jahr ab, um nach Amerika zu reisen. Dort besuchte er die 1893 in Chicago stattfindende Weltausstellung. Nach einem Aufenthalt in New York trat er 1896 die Rückreise an, da er zum Militär einberufen worden war. Aufmerksamkeit errang er erstmals mit der funktionalen Ausstattung des „Café Museum“ (1899). Loos bekanntester Bau in Wien ist das 1909–1911 erbaute Geschäftshaus Goldman & Salatsch am Michaelerplatz, dessen schmucklose Fassade das Wiener Herz provozierte.