Presse

Jahrespressekonferenz

Architekturzentrum Wien

Menschen sitzen bei einer Pressekonferenz

Architekturzentrum Wien: Jahrespressekonferenz
© Foto: eSeL

Klimakrise, soziale Konflikte und nachhaltiges Wirtschaften: Die zentralen Herausforderungen für unsere Zukunft sind eng mit Architektur, Stadt- und Raumplanung verknüpft, ist das Bauen doch für einen großen Teil des globalen Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Die Leistbarkeit von Wohnen, integrative Mobilitäts- und Energiekonzepte, eine flächenschonende Bodenpolitik, Materialkreisläufe, Räume für neue Produktionsformen in der digitalen Moderne, eine Architektur, die Identität stiftet und Gesundheit fördert, Foren für Begegnung und Beteiligung – es braucht einen prominenten Ort, an dem diese Themen übergreifend verhandelt werden.

Deshalb fordert das Architekturzentrum Wien ein Architekturmuseum neuen Typs, ein hybrides Museum für Architektur und Zukunft, das unterschiedliche Wissenssorten aus Forschung, Kultur und Zivilgesellschaft zusammenführt und so der Fragmentierung der Gesellschaft entgegenwirkt. Ein solches Architekturmuseum kennt die Vergangenheit und gestaltet die Zukunft, verbindet Forschung und Alltag und wird selbst zum Experimentier-feld. Wieso kann nicht auch ein Museum Energie produzieren oder Gewächshäuser betreiben? Wie kann ein Museum öffentliches Wohnzimmer und Lernort sein? Wie kann ein Architekturmuseum zum Labor für eine klimagerechte Welt werden? An dieser Vision möchte das Architekturzentrum Wien mit Partner*innen aus Politik und Zivilgesellschaft weiterarbeiten. Ziel ist ein Museum, das die Zukunft verändert!

Mit dem Jahresprogramm 2020 bekräftigt das Architekturzentrum Wien seine konsequent gesellschaftliche Perspektive und stellt erneut die Frage, was Architektur dazu beitragen kann, die Zukunft zu reparieren. Besonders im Fokus stehen dieses Jahr das Menschenrecht auf Wohnen und der Umgang mit einer bedrohten Ressource, dem Boden.

Der Ausstellungsreigen beginnt im März 2020 mit einer herausragenden internationalen Position. Balkrishna Doshi erhielt 2018 als erster indischer Architekt den renommierten Pritzker-Preis. Der 92-jährige Architekt, Urbanist und Lehrer gehört zu den wichtigsten Vertretern einer „anderen Moderne“. Zentral sind seine visionären Arbeiten im Bereich des kostengünstigen Wohnens, u.a. für Fabrikarbeiter*innen und Slumbewohner*innen, sowie sein starkes Engagement für Bildung. Die Ausstellung „Balkrishna Doshi. Architektur für den Menschen“ versammelt eine Fülle an Originalmaterialien aus sechs Jahrzehnten, darunter Doshis berühmte, an indische Miniaturen angelehnten Zeichnungen. Aktuelle Fotografien und Filme zeigen das Weiterleben seiner Architekturen im Alltag.

Im Sommer 2020 hält wieder der Publikumsmagnet „Europas beste Bauten“ im Az W Einzug. Der alle zwei Jahre verliehene EU Mies van der Rohe Award ist ein Seismograph für das Architekturgeschehen in Europa. Der aktuelle Hauptpreis geht an ein wegweisendes Wohnbauprojekt: eine inspirierende Transformation von drei Wohnblöcken aus den 1960er Jahren in Bordeaux von Lacaton & Vassal gemeinsam mit Frédéric Druot und Christophe Hutin. Neben der Wohnungsfrage prägen die Themen öffentlicher Raum, Bildung und der Umgang mit dem Bestand die Auswahl der 40 besten europäischen Projekte, darunter drei aus Österreich: die Bundesschule in der Seestadt aspern von Fasch&Fuchs und ein Wohnbau von Vlay Streeruwitz in Wien Floridsdorf sowie das Haus der Musik von Erich Strolz und Dietrich Untertrifaller in Innsbruck.

Das Wiener Stadtgebiet nördlich der Donau ist im September 2020 Thema des sechsten SammlungsLabs. Seit ihrer Eingemeindung dienen die beiden Bezirke Floridsdorf und Donaustadt als Testfeld des modernen Wohnungsbaus. Vieles von dem, was später Eingang in die Produktion des institutionellen Wohnbaus fand, wurde zunächst in „Transdanubien“ ausprobiert, wo Land ausreichend und günstig verfügbar war. Heute wohnen zwei von zehn Wiener*innen auf der „anderen“ Seite der Donau, hier wächst die Stadt am schnellsten. Die Ausstellung „Transdanubien: Der Nordrand als Testfeld Wiens“ zeigt protoypische Wohnbauten und Debatten aus neun Jahrzehnten.

Mit einem der dringendsten Themen unserer Zeit befasst sich die große Herbstausstellung „Boden für Alle“ ab November 2020. Der Boden ist unser kostbarstes Gut. Die Oberfläche der Erde ist endlich. Ein sorgloser oder rein kapitalgetriebener Umgang mit dieser Ressource hat in den vergangenen Jahrzehnten Gestalt und Funktion unserer Städte und Dörfer verändert. Die fortschreitende Versiegelung von Flächen trägt zur Klimakrise bei, verteuert das Wohnen, erschwert eine vernünftige Verkehrspolitik und gefährdet die Ernährungssicherheit. Mit der Ausstellung „Boden für Alle“ bringt das Architekturzentrum Wien Licht in das Dickicht von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten wie Raumordnungsgesetze, Finanzausgleich, Stadtentwicklung, Flächenwidmung, Zinspolitik und Vermögensverteilung. Gleichzeitig werden alternative lokale und internationale Modelle auf ihre Tauglichkeit überprüft. Ein tiefergehendes Verständnis der bodenpolitischen Zusammenhänge ist für die Wende zu einer klimagerechten und sozial gerechten Gesellschaft unabdingbar. Die Ausstellung bereitet den Boden dafür.

Dem 150. Geburtstag von Adolf Loos ist 2020 die sechste Ausgabe der Sammlung mit Aussicht gewidmet. Passend dazu veranstaltet das Az W eine Architekturreise zu Loos‘ Häusern und Wohnungen in Prag und Pilsen. Überhaupt wird das Format der Architekturreisen wieder ausgebaut. Angeboten werden 2020 unter anderem Indien und Vorarlberg.

Dazu kommt das ganze Jahr über ein breit gefächertes Veranstaltungs-, Vermittlungs- und Exkursionsprogramm, das gemeinsam mit den Ausstellungen auch 2020 zeigt, was Architektur kann!